Weiter geht’s mit dem Mai-Tipp für Lightroom. Oder genauer gesagt: Den Mai-Tipps. Denn für den Wonnemonat habe ich mich ein wenig ins Zeug gelegt und gleich mehrere Tipps zum Stempel-Werkzeug aus meiner Schatzkiste geholt und in vier Artikel (Tipps #4 bis #7) gepackt, die ich heute und in den kommenden drei Tagen für Euch veröffentlichen möchte.
Korrekt heißt es natürlich Bereichsreparatur-Werkzeug (im Folgenden einfach mit BRW abgekürzt), aber Stempel geht uns allen doch viel leichter über die Lippen und hiermit möchte ich allen, die mich nach dem ersten Tipp zum „Magischen Slash“ per Mail um eine ausführliche Anleitung zum Stempel gebeten haben, diesen Wunsch gerne erfüllen.
Einleitung
Viele LR-User verbindet ja eine Art Hass-Liebe mit diesem Werkzeug. Einerseits ist es eine schnelle und einfache Möglichkeit, lästige Elemente im Bild – vom Sensorstaub bis zur Stromleitung – loszuwerden. Und das auch noch sehr Speicherplatz schonend, fällt doch der „teure“ Weg über Photoshop und die dafür nötige PSD- oder TIFF-Datei dabei weg. Andererseits kennt aber auch jeder, der dieses Werkzeug schon etwas intensiver genutzt hat, die Situationen, in denen einen dieses Werkzeug an den Rand des Wahnsinns treiben kann und sich einfach keine Quelle finden lässt, die ein akzeptables Ergebnis liefert und keine hässlichen Spuren hinterlässt. Und so viel kann deshalb auch schon vorweg genommen werden. Es lässt sich eben nicht alles mit LR retuschieren und manchmal muss es dann eben Photoshop sein.
Hat man aber erst mal richtig verstanden, wie die beiden Werkzeuge (ja, es sind eigentlich zwei Werkzeuge oder Werkzeug-Modi, doch gleich mehr dazu) funktionieren, mit welchen Grenzen man leben muss, welche Auswirkungen die jeweiligen Einstellungen auf das Ergebnis haben und mit welchen Tricks man sich die Arbeit leichter machen kann, wird man die Taste Q – das Tastenkürzel für die Bereichsreparatur – ganz entspannt drücken und sich an den trotz allem großartigen Möglichkeiten erfreuen.
Neben der Q-Taste, die sich im übrigen an jeder Stelle in LR zum Aufruf des Stempels drücken lässt, gibt es natürlich noch die Möglichkeit, das Werkzeug direkt in der Werkzeugsammlung des Entwickeln-Moduls zu aktivieren, wie im obigen Screenshot zu sehen ist. in beiden Fällen öffnen sich nun die Einstellungsmöglichkeiten des Stempels, die wir uns im folgenden Abschnitt näher anschauen wollen.
Einstellungen
Neben der Entscheidung für eines der beiden Grundwerkzeuge – Kopier-Stempel und Reparatur-Werkzeug – deren Unterschiede wir uns im nächsten Kapitel näher anschauen wollen, hat das BRW mit den nun erschienen Reglern drei wesentliche Einstellmöglichkeiten, welche dessen Wirkung beeinflussen:
- Die Größe, die sich neben dem Regler auch über das Mausrad (oder sonstige Scroll-Funktionen und -Gesten moderner Mäuse und Touchpads) verändern lässt und festlegt, wie groß die zu reparierende Stelle sein soll. Die Größe sollte immer so gewählt werden, dass der innere Ring des Mauszeigers (siehe den folgenden Screenshot) den zu retuschierenden Bereich ein klein wenig überragt.
- Die weiche Kante, mit der sich der Übergang zwischen repariertem und unverändertem Bereich festlegen lässt. Kleine Werte für die weiche Kante ermöglichen das exakte Stempeln in stark strukturierten Bereichen, es ergeben sich aber entsprechend harte Übergänge zu den nicht retuschierten Bereichen. Je höher der eingestellte Wert, desto weicher wird der Übergang zu Umgebung der retuschierten Stelle. Dies ist vor allem in strukturarmen (flächigen) Bereichen eines Fotos hilfreich. 70 ist hier ein guter Startwert für fast alle Retuschearbeiten. Die Einstellung wirkt sich auch auf die Darstellung des Mauszeigers aus. Je größer der Wert für die weiche Kante, desto größer der Abstand zwischen dem inneren und dem äußeren Kreis des Mauszeigers (siehe ebenfalls den folgenden Screenshot).
- Die Deckkraft regelt, wie stark die Reparatur die ursprünglichen Pixel der reparierten Stelle überlagert. Als Standardwert sollte bis auf wenige Ausnahmen immer 100 (Prozent) eingestellt werden, was dazu führt, dass die Reparatur die darunterliegenden Pixel zu 100% überdeckt. Eine Abweichung von den 100% ist nur dann nötig, wenn sich für eine Reparatur keine wirklich gute Quelle finden lässt und die zu reparierende Stelle keinen allzu großen Kontrast zur Umgebung hat. In diesem besonderen Fall kann eine Reduzierung der Deckkraft die Reparatur noch retten.
Hat man diese drei Werte eingestellt, kann es mit dem Retuschieren losgehen. Doch halt! Es gibt ja noch eine wichtige Entscheidung zu treffen: Stempeln oder reparieren? Um diese Entscheidung vernünftig treffen zu können, wollen wir uns deren Besonderheiten nun etwas genauer anschauen.
Unterschiede zwischen Kopierstempel und Reparatur-Werkzeug
Direkt über den soeben eingestellten Reglern/Werten befinden sich die Auswahl für einen dieser beiden grundlegenden Modi des BRWs: Kop. Stempel oder Repar.
In beiden Modi werden Pixel von einer Quelle an die zu reparierende Stelle (das Ziel) übertragen, um störende Elemente verschwinden zu lassen. Der Kopierstempel überträgt dabei einfach – man könnte auch „stupide“ sagen – Struktur, Farbe und Helligkeit der Quelle auf das Ziel. Wie in einem der nächsten Beispiele zu sehen, geht das aber schon schief, wenn sich Quelle und Ziel nur ein wenig in Farbe oder Helligkeit unterscheiden.
Das Reparatur-Werkzeug geht deshalb deutlich schlauer vor: Es überträgt lediglich die Struktur der Quelle und zieht die Farbe und Helligkeit für die Retusche aus der Umgebung des Ziels. Dies führt in aller Regel zum besseren Ergebnis und sollte deshalb immer die erste Wahl sein. Lediglich wenn, wie weiter unter noch ausführlicher beschrieben, die Retusche in einem Bereich durchgeführt wird, dessen Umgebung sich in Helligkeit und/oder Farbe stark unterscheidet, wird man mit dem Kopierstempel bessere Ergebnisse erzielen.
Nun sind war also endlich soweit, unsere erste Retusche durchzuführen. Dazu klicken wir auf eine störende Stelle (das Ziel) wie z.B. einen Sensorstaubfleck und LR wählt für uns automatisch eine (mehr oder weniger) passende Stelle.
Auf jeden Fall werden Quelle und Ziel mit jeweils einem Kreis (der sog. Werkzeugüberlagerung) gekennzeichnet und ein Pfeil zeigt durch seine Richtung an, welcher Kreis die Quelle und welcher das Ziel ist. Wie sich die Sichtbarkeit dieser Werkzeugüberlagerung beeinflussen lässt, zeige ich Euch im morgigen Tipp.
Natürlich kann man statt einem einfachen Mausklick auch eine größere Stelle mit gedrückter Maustaste überpinseln und so auch nicht-kreisförmige Retuschen vornehmen.
Sollte die automatisch gewählte Quelle nicht zu einem befriedigenden Ergebnis führen, kann die Quelle (wie auch das Ziel) anschließend noch mit der Maus verschoben werden. LR passt dank seiner nicht-destruktiven Arbeitsweise (auch parameterbasierte Bildbearbeitung genannt) das Ergebnis dabei immer wieder aufs neue an. Da es relativ häufig vor kommt, dass LR bei der Wahl der Quelle etwas daneben liegt, sei Euch noch der LR-Tipp #1: Der magische Slash ans Herz gelegt.
Im Folgenden nun einige Screenshots, die den Unterschied zwischen den beiden Modi verdeutlichen:
Hier ist deutlich die suboptimale Wirkung des Kopierstempels zu sehen, da die Helligkeit des Quellbereichs nicht zur Umgebung des Zielbereichs passt und die gestempelte Stelle so deutlich zu sehen ist. Im Gegensatz dazu ist das Ergebnis des Reparatur-Werkzeugs im folgenden Screenshot so, wie man es sich wünschen würde, da nun die Helligkeit aus der Umgebung des Zielbereichs für den reparierten Bereich verwendet wird.
Wollen wir hingegen an einer Kante wie im folgenden Screenshot ein störendes Element eliminieren, sieht das Ergebnis mit großer Wahrscheinlichkeit eher umgekehrt aus, denn hier eignet sich die Umgebung des Ziels meist nicht für die Methode des Reparatur-Werkzeugs.
Es kommt zum sogenannten Bleeding, bei dem die Umgebung des Ziels unschön in den retuschierten Bereich hineinstrahlt.
Wählt man statt dem Reparatur-Modus den Kopier-Modus, lässt sich das Problem schon ziemlich gut in den Griff bekommen. Der Modus lässt sich übrigens für jeden ausgewählten Retuschepunkt, genau wie weiche Kante und Deckkraft, auch nachträglich noch ändern. Die Größe kann dagegen nur für kreisförmige Retuschepunkte noch nachträglich geändert werden.
Der Zeitpunkt der Änderungen an einem oder mehreren Retuschepunkten kann dabei – wie bei LR gewohnt – auch sehr weit nach den aktuellen Bearbeitungen liegen, denn wie alle Bearbeitungsschritte sind auch die Retuschearbeiten in LR nur gespeicherte „Parameter“, die zu jeder Zeit angepasst und verändert werden können. Die Einstellungsregler passen dabei immer den gerade aktiven Retuschepunkt an. Der gerade aktive Retuschepunkte wird dadurch gekennzeichnet, dass seine Werkzeugüberlagerung aus zwei Kreisen (Quelle und Ziel) und dem schon beschriebenen Verbindungspfeil besteht. Inaktive Retuschepunkte werden nur durch einen Kreis (Ziel) gekennzeichnet. Es kann immer nur ein Retuschepunkt aktiv sein und Ihr könnt einen inaktiven zu einem aktiven machen, indem Ihr ihn einfach anklickt.
Im Folgenden Screenshot seht Ihr nun das Ergebnis unter Verwendung des Modus Kopierstempel:
Allerdings ergibt sich durch die Größe des runden Retuschepunktes sowie die weiche Kante eine leichte Unschärfe der dünnen Linie im retuschierten Bereich. Abhilfe schafft in solchen Fällen die Verringerung der Stempel-Größe und ein exakteres Überpinseln des unerwünschten Objektes.
Also stellen wir sicher, dass der unschöne runde Retuschepunkt auch aktiv (ausgewählt) ist und löschen ihn über die Entfernen-Taste, um uns dann mit einem kleineren Stempel an die exaktere Retusche zu machen. Dazu ist es meist hilfreich, in das Bild hinein zu zoomen. Tipps hierzu findet Ihr ebenfalls in der ersten Ausgabe meiner LR-Tipps. Ist eine geeignete Zoomstufe gewählt, können wir nun mit einer Stempelgröße, die minimal größer als die Breite des störenden Objektes ist, das selbige mit gedrückter Maustaste überpinseln.
Nun sieht das Ergebnis noch ein Stück besser aus. Grundsätzlich gilt bei der Retusche (auch in Photoshop und anderen Programmen) immer, dass für gute Ergebnisse die Werkzeug-Größe möglichst nicht viel größer/breiter als der zu retuschierende Bereich sein sollte. Der Rest des Geheimnisses ist Übung 🙂
Vorschläge, Wünsche und Bounty-Programm
Wie immer freue mich natürlich über jegliches Feedback. Am liebsten hier über die Kommentar-Funktion oder auch per Mail. Schreibt mir gerne, ob Ihr den Tipp schon kanntet oder ob Ihr ihn für Eure Arbeit mit Lightroom nützlich fandet.
Fürs erste werden die Tipps übrigens ohne jegliche Einschränkungen hier öffentlich zugänglich sein. Nach einer gewissen Zeit – auf die ich mich jetzt noch nicht festlegen möchte – werden die Tipps eventuell nur den Abonnenten des dazugehörigen Newsletters zugänglich sein. Aber ich denke, das ist ein kleiner Preis als Ausgleich für die Arbeit und Zeit die ich in die Tipps und meinen restlichen Blog stecke 🙂
Also geht am besten gleich zur Newsletter-Seite und meldet Euch an, falls Ihr das nicht eh schon getan habt und erzählt Euren Freunden bei Facebook, Instagram oder im RL
Und damit kommen wir zu einem weiteren wichtigen Punkt: Ich würde mich auch über Feedback zu den von Euch gewünschten Themenbereichen für zukünftige Tipps freuen. Schreibt mir also gerne, ob es mehr Tipps zum Bearbeiten, zum Verschlagworten, zum Suchen und Filtern oder vielleicht auch ganz anderen Modulen als den beiden Platzhirschen Bibliothek und Entwickeln geben sollte.
Aber nicht nur Eure Wünsche interessieren mich. Falls Ihr auch einen Tipp zu Lightroom auf Lager habt, von dem Ihr glaubt, dass er hier veröffentlicht werden sollte, dann nix wie aufgeschrieben und per Mail an mich geschickt.
Falls es ein Tipp ist, den ich so noch nicht auf dem Zettel hatte, winkt Euch neben der natürlich selbstverständlichen Erwähnung als Tipp-Geber auch noch eine fette Belohnung! Ich bin gespannt, was ich nach all den Jahren mit Lightroom und Studium von vielen Videos und Artikeln noch alles an Neuem entdecken darf.
Für heute soll es das als Einführung in das Stempel-Werkzeug gewesen sein. Ich hoffe, es war auch für Fortgeschrittene noch etwas Neues dabei, auch wenn diese Folge natürlich in erster Linie für Stempel-Neulinge gedacht war. Morgen geht es mit einem kurzen aber sicher sehr nützlichen Tipp zur Steuerung der Werkzeugüberlagerungen weiter. Am Sonntag und Montag folgen dann Tipps, die erfahrungsgemäß auch langjährigen LR-Anwendern meist nicht geläufig sind. Zum einen wird es um das Aufspüren von Sensorflecken und zum anderen um das Überlagern von Retuschepunkten gehen. Lasst Euch überraschen…
Bis dahin sage ich erst mal wieder vielen Dank für Eure Zeit, abonniert den Newsletter, wenn Euch meine Tipps gefallen und bleibt gesund!
Der Lightroom-Spickzettel
Aus der Erfahrung aus mehr als einem Jahrzehnt täglicher Arbeit mit Lightroom sowie vielen Workshops und Trainings habe ich den Lightroom-Spickzettel entwickelt, der alle wichtigen Tastaturbefehle, Tipps und Tricks für Lightroom kompakt zusammenfasst.
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Meine Ausrüstung
Da ich in Emails oder im persönlichen Gespräch immer wieder nach meiner Ausrüstung oder Tipps zum Thema "sinnvolles Foto-Zubehör" gefragt werde, habe ich mir die Mühe gemacht, meine persönliche Ausrüstung zu dokumentieren. Alle unter dem Menüpunkt "Meine Ausrüstung" aufgelisteten Artikel kann ich also definitiv empfehlen. Die Liste wird regelmäßig gepflegt und aktualisiert.
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